2030 und die planetaren Ressourcen

Rainer Monnet 2022

 

Die ökologische Transformationszuhr läuft

Vielleicht seit 1972 tickt diese Uhr, immer lauter und gefühlt vielleicht derzeit schneller. Durch den ersten Bericht des Club of Rome wurde die ‚Uhr‘ aufgestellt. Mit der Agenda 2030 nahm die Bundesregierung 2015 von 193 UN-Staaten unterzeichneten Nachhaltigkeitsziele[1] in ihre politische Agenda auf. Die Ziele ökologischer Tragfähigkeit, sozialer Gerechtigkeit, wirtschaftlicher Effizienz sowie gesellschaftlicher Teilhabe und Demokratie wurden neu miteinander verbunden.

Es entstanden die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung. Global und national. Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind in der Graphik 1 in drei Ebenen zusammengestellt und in der zweiten (Graphik 2) in vier Bereiche geordnet. Diese Darstellung macht deutlich, dass der Begriff der Nachhaltigkeit im Vergleich zu dem vor 20 und 50 Jahren erheblich erweitert und aufgefächert wurde.

Der Mensch ist ein Naturwesen. Die Biosphäre der Erde gleicht ebenfalls einem lebendigen Organismus. Seit der Antike kennen wir sie auch als Gaia. Vielleicht müssen wir als Menschheit den „Schutz“- Begriff erweitern. Nicht nur die Natur, die Arten müssen geschützt, der Mensch auch vor sich selbst beschützt werden. Vielleicht benötigen wir auch einen neuen oder zumindest präziseren Begriff für Nachhaltigkeit? Wir sind inzwischen mit einer Schwemme Begriffen von Nachhaltigkeit und Methoden konfrontiert. Wir haben nicht nur green-washing zu beklagen. Wir sehen auch change-washing.[2]

Falsche Transformationstatsachen

Vortäuschung falscher Transformationstatsachen

Es gibt inzwischen weltweit tausende von Sustainability Initiativen, Sustainability Managern und inzwischen Abertausende von Nachhaltigkeitsforschern. Im Vermessen der  Welt und ihrer Phänome durch die Wissenschaft sind wir auf einem beachtlichen Niveau angelangt. Doch wie und in welcher vergleichbaren Form das Messen Unternehmen umsetzen können, bleibt fraglich.

Die beschriebenen 17 SDG sind aus der Perspektive der UN und von Nationen verfasst. Also gleichen also einer national-staatlichen politischen Willenserklärung. Wir erkennen nach eingehendem Studium, dass die Ziele sehr unterschiedliche Wirkung und Dimensionen haben können. Dies gilt ebenso für die Zielrichtungen der einzelnen Ziele wie deren Verbindungen und deren Abhängigkeiten zueinander. Die 17 Ziele haben von Grund auf eine allgemeine Ausrichtung.

Alle Ziele zusammengenommen sind weder für Institutionen noch für Unternehmen erreichbar. Einige Ziele widersprechen anderen oder zehren deren Wirkung auf. Nicht alle Ziele passen ohne weiteres in die Orientierung eines Unternehmens und die SDG weisen untereinander Inkonsistenzen auf [3]. Sie sind eher allgemeiner Natur. Wir haben eine detaillierte Auswertung der 17 SDGs vorgenommen. (siehe SDG Wertebilanz Global Indicator Framework after 2021 refinement_EN_RM)

2021 erschien der Dasguptha Review: “The Economics of Biodiversity”[4]. Dasguptha arbeitete mit seinem Team im Rahmen der Royal Society heraus, dass der Mensch nur ein Teil der Natur ist. Menschliche Ökonomien sind eingebettet in die Natur oder ihr Erdsystem. Rohstoffe sind Assets der Natur. Der Mensch ist demnach ein Asset Manager. Bislang ein eher schlechter, wenn wir die Folgen unseres Handelns für die Natur ansehen.

Die ‚Impact Equation‘, im Sinne einer Wirkungsgleichung, wird im Report behandelt. Bringen wir die Impact Equation als Bewertungsmaßstab mit den SDG’s in Beziehung, fällt die Bilanz für die SDG’s im Allgemeinen und vor allem für Unternehmen ebenfalls schlecht aus.  Wir behandeln und nutzen die Natur spätestens seit Beginn der Industrialisierung wie ein Selbstbedienungslager. Wir Menschen sollten tunlichst lernen, intelligentere und umsichtigere Asset Manager zu werden.

SGD

Es sind in Summe mit den jeweiligen Unterzielen über 200 Indikatoren. Dabei prüften wir, ob und inwieweit die Ziele den Unternehmen helfen, die Nachhaltigkeitsziele zu finden und einzuhalten. Welche der 17 Ziele für die Wirtschaft und im speziellen für Unternehmen nützlich und einsetzbar sind. Neben der Inkonsistenz der Ziele stellten wir fest, dass entscheidende Dinge fehlen wie zum Beispiel Kommunikation und Governance.

Diese werden in Ziel 17 nicht hinreichend abgebildet. Es sind uE am Ende 4-5 Ziele, die unseres Erachtens eine nennenswerte Unternehmensrelevanz haben. Wir sind noch einen Schritt weitergegangen und haben im Sinne der Wertebilanz das Wertesystem mit den 42 Einzelwerten mit den 17 SDGs in Beziehung gesetzt und diese zugeordnet. Hierdurch lässt sich erkennen, dass die Gesamtheit der 17 Ziele für Unternehmen wenig hilfreich ist, konkrete Nachhaltigkeitsaspekte zu realisieren.

Das Ökoinstitut unter der Federführung von Prof. Dr. Rainer Grießhammer[5] hat zusammen mit der Universität Witten-Herdecke im Auftrag des BMBF dazu 2021 eine PROSA Studie veröffentlicht[6]. Mittels einer Software ProFitS[7] werden die entwickelten Bewertungsmethoden in einem Werkzeug zusammengefasst. So können Aspekte der 2030 Ziele erfasst und ausgewertet werden.

 

Wertesensorium

Wertesensorium

Die 42 Werte der Wertebilanz sind eine vorgeschlagene Menge an sinnvollen Unternehmenswerten. Sie sind nicht als statisch oder geschlossenes System anzusehen, sondern lediglich eine „Starthilfe“. Unternehmen, Mitarbeiter wie Unternehmer bestimmen in aller Freiheit und Souveränität die für das Unternehmen wichtigen und relevanten Werte.

Aus dieser Wertekonstellation gilt es folgerichtig Messpunkte zu identifizieren und schlüssig in der Bilanz in Buchungen zu dokumentieren. Der Versuch, reale Unternehmenswerte mit den SDG Zielen zusammen zu bringen, macht deutlich, dass die 2030 Agenda für Unternehmen nur hinlänglich funktionieren kann.

 

Unsere planetaren Ressourcen – Schätze schützen

Menschen träumen gerne von Schätzen und jagen ihnen nach. Er kann uns zu äußerem Reichtum verhelfen. Seit Columbus und der Kolonialisierung der Neuen Welt hoben wir, im Bilde gesprochen, die Schätze vom Boden auf, mit wenig Aufwand im Vergleich zu heute. Wir nahmen und raubten die Schätze der Erde oder der Ureinwohner auf meist natur- und menschenverachtende Art. Als gäbe es weder Übermorgen und noch Würde.

Bodenschätze sind Rohstoffe, welche eine Grundlage unseres Wirtschaftswachstums und unserer Zivilisation bilden. Wem gehören sie? Wer hat das Recht, diese zu entnehmen und zu fördern? Wir benötigen dringend neue Antworten auf diese Fragen.

Investoren, Staaten oder Unternehmen genießen das Recht, Rohstoffe der Erde zu entnehmen und verwerten, so wie es ihnen beliebt. Das gilt auch für Expeditionen ins Weltall und mögliche neue Rohstoffquellen. Wir Menschen bemächtigen uns. Es herrschen nicht die Gesetze der Natur, sondern der Entnehmenden. Die Natur wird zum Objekt und zum Untertan gemacht. So darf es uns nicht wundern, dass die Natur den Kürzeren zieht. Rohstoffe ordnen wir den natürlichen Ressourcen zu. Aber es existieren auch andere Ressourcen, die unser Leben und die Wirtschaft bedingen. Diese sind hier aufgezählt:

 

  • Menschliche Ressourcen – geistiges Potenzial, wissenschaftliche Erkenntnisse, Patente, …
  • Soziale-rechtliche Ressourcen – unternehmerische gesellschaftliche Gesamtverantwortung, Kooperation und Zusammenarbeit, Arbeitskraft, …
  • Kulturelle Ressourcen – Bildung, Erziehung, Kultur, …
  • Künstliche datenbasierte Ressourcen – Master Data, Big Data
  • Natürliche Ressourcen – Rohstoffe, Naturgüter, …

Näheres dazu im Kapitel 13 im Buch „Wertebilanz“.[8]

 

Ein halbes Jahrhundert

Bis vor etwa 50 Jahren, mit ausgelöst auch durch den Club of Rome[9] und die keimende weltweite Umweltschutzbewegung, sahen wir natürliche Ressourcen bis dahin als nahezu unendlich an. Wir hatten kein kollektives Bewusstsein für Endlichkeit der Erde. Neigte sich eine Quelle dem Ende, gingen wir zur nächstgelegenen weiter. Ausgenommen waren beispielsweise Gold, Diamanten oder Silber, die schon immer als selten und begrenzt verfügbar galten.

Scheinbar ausgehende oder knapp werdende Ressourcen erlebten wir bis dahin nicht als dramatisch. Gaia, unsere Mutter Erde, bot uns reichlich andere. Die technische und industrielle Revolution ermöglichte uns natürliche Ressourcen aus Minen, die als ausgeschöpft galten, weiterhin auszuschlachten. Wir gingen dazu über, ganze Berge abzutragen, um aus viel Masse immer weniger Ausbeute zu erzielen. Es gibt inzwischen einige Aktualisierungen des Berichtes des Club of Rome (1972)[10]. Die aktuellen Berichte und Veröffentlichungen sind hier aufgeführt[11].

 Hoben wir vor etwa 200 Jahren die Erze im Bilde gesprochen von der Erde auf, pressen wir nun die Erde aus, wie eine gebrauchte Zitrone. Wir hinterlassen Krater, zerstörte Ökosysteme und nutzlose Wüsten. Die Natur vermag sich von diesen Torturen kaum zu erholen, die nicht nachwachsenden Ressourcen schon gar nicht. Mit der immer steigenden Zunahme des Raubbaus erlangten zwei Faktor Bedeutung.

Die Energie und deren Preise. Die Erschließung der Ressourcen wurde in Korrelation mit der Menge an Abraum immer kostspieliger. Der Koeffizient zwischen Abraum und Ertrag nähert sich immer mehr null. Minen werden dann endgültig geschlossen. Mit diesem Fortschritt, der gelinde gesagt eher ein Rückschritt ist, lernten wir die Erde immer genauer zu vermessen und zu erkunden. Vor allem interessiert die Eigentümer von Land, der Böden mit ihren Bodenschätzen, die Frage der Endlichkeit sehr.

In Zeiten knapper werdenden Ressourcen, steigendem Energieverbrauch und gesteigertem Bewusstsein für Nachhaltigkeit/Zukunftsfähigkeit stellt sich eine bedeutende Frage: Wie sieht es mit der Endlichkeit aus? Wie viele Rohstoffe haben wir tatsächlich (noch) zur Verfügung und wie lange reichen diese[12].

 

Seltene Werte

Die Frage der Endlichkeit lässt sich aus mehreren Gründen nicht leicht beantworten. Wir stoßen immer wieder, wenn auch im letzten Jahrhundert immer seltener, auf neue Rohstoffquellen. Wir wissen also nicht exakt um zur Verfügung stehende Orte und vor allem die neuen Fördermengen sind schwerlich zu bestimmen. Zudem haben Staaten und Unternehmen die Hand auf dem Land. Sie wähnen es als ihr Eigentum oder zumindest verhalten sie sich dementsprechend.

Damit verfügen sie auch über die Macht, die Zahlen über die Ressourcenvorkommen zu verheimlichen oder zu manipulieren. Inzwischen findet ein wachsend elektronischer Handel mit Rohstoffen oder Derivaten an den Börsen statt. Diese reagieren sehr sensibel auf Nachrichten über Mangel oder Endlichkeit von Bodenschätzen. Ferner ist von Belang, wie ergiebig die Ressourcenquellen sind.

Wir haben einen größeren Aufwand betrieben, dieser Fragestellung nachzugehen. Die Ressourcenvorkommen folgen meist von der Nutzung bis zur Erschöpfung der Quellen der Gaußschen Normalverteilung. (Graphik 4) Der Maximalpunkt wird in der modernen Ressourcenwissenschaft als „Peak“, bekannt. Vor allem durch den Erdölexperten Collin J.

Campbell [13], etabliert. Ab dem Peak steigen in der Regel zunehmend die Energiekosten proportional zur Förderung gleichwohl gegenläufig zum Abflachen der Kurve. Wenig Ertrag, exorbitante Energiekosten, radikaler Eingriff in Ökologie und Natur.

SGD Unternehmenswerte

 

Endlichkeit

Neben den Fundstellen fehlt etwas Elementares zum besseren Verständnis der Situation. Die absolute Menge der zur Verfügung stehenden Rohstoffe ist nicht oder schwer voraussehbar. Wir wissen von den meisten Ressourcen die ungefähren Bestände, aber nicht die verlässliche Restmengen. Durch einen neuen Fundort können bisherige Kalkulationen und damit Kapazitäten obsolet werden.

Problematisch ist, dass Mäßigung für Menschen ohne ein absolutes, begreifbares Maß schwer vermittelbar oder umsetzbar ist. Die Erklärung der Endlichkeit wird so eine von der Wissenschaft behauptete abstrakte Größe. Eine moralische Wirkung auf das Verhalten der Menschen ist so, wenn überhaupt, schwer erzielbar. Das Ringen um die Nachhaltigkeit und die Einhaltung der auferlegten Ziele wird inflationär.

 

Seltene Erden

Wir kennen die reellen absoluten Zahlen der Rohstoffvorkommen und -mengen nicht. Wir sehen allerdings eine fortwährend steigende Energiemenge zur Bergung und Gewinnung der Ressourcen. Die Verkaufspreise der Rohstoffe steigen dementsprechend. Bei Ressourcenvorkommen, die uns seit langem bekannt sind, ist die Endlichkeit in Zahlen fassbarer. Jüngst entdeckte neue Ressourcen können nur geschätzt werden.

Etwa 20 der seltenen Rohstoffe gehen im Laufe dieses Jahrhunderts bereits dem Ende zu. Diese sind nicht mit den 17 leichten und schweren seltenen Erden zu verwechseln.[14] Zur Orientierung: Die weltweiten Erdölressourcen galten 2009 mit 38% als verbraucht gelten.[15] Prof. Ugo Bardi spricht in seinem Buch „Der Seneca Effekt“ von der mineralischen Eschatologie. Das ist ein guter Begriff für ein mögliches Ende vieler unserer Ressourcen.

Wenn wir um die Endlichkeit, Seltenheit oder mangelhafte Recyclingquote einzelner Ressourcen wissen, sollten wir alles daransetzen, diese nicht weiterhin in gewohntem Maße auszubeuten. (Platin, Rhodium, Tantalum, Gallium, Seltene Erden, Palladium, Gallium, Indium, usw.) Reiten wir weiter auf der Welle der maximalen Ausbeute, schwant uns am bitteren Ende ein Seneca Kollaps mit Neben- und Rückkopplungseffekten.

Mit der Seltenheit und der Endlichkeit ist verbunden die Frage, ob es eine „sustainable zeroline“[16] geben kann für Rohstoffe oder Ressourcen. Eine realistische Schwelle oder Schwellwerte, anhand derer die Nachhaltigkeitsbemühungen eines Unternehmens gemessen werden kann.

 

Global tepmerature change 2023

Spurengase

Wir haben uns als Staatengemeinschaft auf die Deckelung 1,5 beziehungsweise 2 Grad Erderwärmung verständigt (COP Paris). Dies allerdings ohne feste Vereinbarungen und Verträge für die einzelnen Staaten. CO2, das Spurengas, mengenmäßig mit am stärksten auftretendes Treibhausgas. Es hinterlässt in unserer Atmosphäre gefährliche Spuren. Doppelter Wortsinn, zweischneidiges Schwert. Und dies bereits seit vielen Jahrtausenden.

CO2 kontrolliert in der Atmosphäre die Strahlungsbilanz und wirkt wie ein natürlicher „Thermostat“ für unseren Planeten. Wir Menschen haben die letzten 100 Jahre zu viel Treibhausgas in den Orbit entlassen. Die globale Erderwärmung ist darauf zurückzuführen. Warum ist es kein ernanntes Ziel, die Erde und ihre Temperatur gar nicht mehr zu erwärmen? Die Haltung, etwas abstraktes Bedrohliches wie CO2 abzuwenden, indem wir es einsparen oder vermeiden, wirkt pädagogisch gesehen eher nicht verständlich. Es wird von der breiten Bevölkerung vielleicht deswegen nicht ernst genommen.

Zu dem Treibhauseffekt kommt, dass CO2 ein reaktives Molekül ist. Es löst die Silikate in der Erde und entzieht sie als feste Kohlenstoffverbindung (Carbonate) der Atmosphäre. Das ist der natürliche und langlebige Kohlenstoffzyklus. Dieser natürliche Prozess wird durch die Erderwärmung deutlich beschleunigt. Würden wir kein CO2 ausstoßen, würde unsere Biosphäre sterben. Neben den unkontrollierbaren Prozessen im Orbit, haben wir es laut dem Potsdamer Institut für Klimaforschung (PIK) in der Folge mit einer größeren Anzahl von verschiedenartige Kipppunkten zu tun.

 

Klima

Das Klima ist ein Komplexphänomen. Drei der neun maßgeblichen Kipppunkte belegen dies. Die Schmelze des Grönlandeises und die beiden „Umwälzpumpen“. Der Jetstream ist für den Kalt- und Warmluftaustausch in der Atmosphäre zuständig. Der Golfstrom AMOC (Atlantic Meridional Overturning Circulation) bewegt mit seiner Umwälzzirkulation das Ozeanwasser und sorgt für den Temperaturausgleich von extrem kalten wie warmen Wassermassen.

Unsere menschengemachten Krisen und Katastrophen nehmen immer erschreckendere Dimensionen an. Der jüngste IPCC Report 8.2021 (insgesamt 4000 Seiten) [17] und die oben benannte Studie des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK)[18] belegen dies auf dramatische und alarmierende Weise. Die Lese dieser Berichte kann, auch wenn wir um die Grundproblematik und Tendenzen dieser Entwicklungen bereits seit mehr als 40 Jahren wissen, zu Schnappatmung und Ohnmacht führen. Das „Ende vom Klima“ gerät in Sichtweite.

 

Grenzen des Wachstums

Szenarien

Es sind polare Szenarien denkbar. Das erste ist simpel wie verheerend. Wir leben so weiter und sehen zu, was passiert. Die nahezu unweigerliche Folge wird ein Kollaps unserer Ökosysteme.[19] Wie genau er aussehen wird und wann er eintreten wird, ist nicht genau bestimmbar. Das er kommen wird ist sehr wahrscheinlich.

Das zweite Szenario ist vielgestaltiger und immens aufwendig sowie extrem schwierig. Wir lernen in Überschallgeschwindigkeit anders mit unseren Energieressourcen und unseren Lebensquellen zu haushalten.

Ebenso benötigen wir technische exponentiell gesteigerte Effizenzlösungen. Kooperationen von lösungsorientierter Wissenschaft mit Reallaboren. Vielleicht benötigen wir auch keine „Think Tanks“ für die weltweit astronomische Summen investiert werden. Wir benötigen hochkreative, kooperative interdisziplinäre Schmieden für neue Ideen und Umsetzungen. Das gilt es anzustreben.

Die Klimaziele zur Reduktion der Erderwärmung sind uE nicht in Frage zu stellen. Sie stellen Schritte zur Lösung der Reduzierung der Erderwärmung dar. Zu hinterfragen ist, ob die Fokussierung auf eine Temperaturerhöhung eine Lösung unserer hochkomplexen gesamten ökologischen Probleme ist. Auch weil ein wichtiger Faktor, die Zeit, nicht richtig berücksichtigt wird und das Erdsystem mit samt der Atmosphäre ein komplexes, nicht-lineares Verhalten zeigt.

Kippunkte

Die Komplexität unserer Gaia, dem Ökosystem Erde, samt der inflexiblen Menschen, spricht eher dagegen als dafür. Ob eine Reduktion auf die Temperaturregulation unserer Atmosphäre und das Einsparen eines Gases (CO2) ein Allheilmittel für die Lösung unserer Probleme ist, bleibt offen beziehungsweise wird sich unter Beweis zu stellen haben.

(ESG ist eine Abkürzung, die drei Buchstaben stehen für Environmental, Social und Governance)

Unvorhersehbare natürliche Ereignisse wie Vulkanismus, Erdbeben, Sonnen Eruptionen, Änderung des Winkels der Erdachse folglich der Geschwindigkeit der Erdumdrehung oder Einschläge von extraterrestrischem Material können Kettenreaktionen auslösen, die unsere Vorstellungskraft sprengen. Diese natürlichen „Interventionen“ können uns leichthin die Klimabilanz verhageln oder unsere Anstrengungen zunichte machen. Werden wir „Klippenspringer“, die sich ins Ungewisse zu springen wagen!

Abschreiben und Aktivieren

Welche Mechanismen bauen wir zukünftig in unser „Messsystem“ Bilanz ein und wie? Hier noch den Gedanken der Anbindung an die Haltbarkeit von Verpackungen illustrieren.

Die Abschreibung für Anlagegüter (AfA) ist ein bekanntes Korrektiv für Vermögens und Materialschwund. Dies halten wir für einen guten Mechanismus, die Nachhaltigkeit oder Zukunftsfähigkeit eines unternehmerischen Handelns besser zu dokumentieren.

Wir haben oben hergeleitet, dass die Endlichkeit unserer Ressourcen leider nur annäherungsweise bestimmbar ist. Wir können also die AfA als Beispiel nicht an tatsächliche Ressourcenvorkommen binden, um die Endlichkeit in der Bilanz genauer abzubilden als wir es heute berechnen. Wir können allerdings die heutige Praxis auch für die Ressourcen anwenden [20].

Wir setzen pro Ressource einen fiktiven Näherungswert ein für die AfA. Diese Erkenntnis hat zur Folge, dass die Abschreibung der aktivierten Rohstoffe prozentual sehr lang sein müssen. Bei Wirtschaftsgebäuden veranschlagen wir heute 4%, das heißt 25 Jahre, bei Wohngebäuden 2%, sprich 50 Jahre. Der Grundgedanke der bisherigen gesetzlich vorgeschriebenen Abschreibungen ist, dass die AfA als Kosten in die Gewinn- und Verlustrechnung aufgenommen wird.

Das hat zur Folge, dass das der Gewinn zwar rechnerisch geringer wird und verbunden damit auch die zu zahlenden Steuern geringer ausfallen. Außerdem sorgt die AfA für Liquidität und dadurch für spätere Investitionsmöglichkeiten, sofern die Liquidität nicht für andere Aufwendungen verwendet wird. Sinnvoll wäre es, die Abschreibungszeiträume generell höher anzusetzen. Die AfA Werte für Computer mit 3 oder Kraftfahrzeuge mit 6 Jahren zeigen deutlich, dass der Staat und die Wirtschaft keinerlei Interesse an Nachhaltigkeit der Produkte und realer Besteuerung haben.

Ist ein Auto nach 6 Jahren nichts mehr wert oder zu gebrauchen? Gute Computer halten je nach Qualität der Bauart mehr als 10 Jahre. Theoretisch könnten viele Komponenten einfach ausgetauscht werden, damit die Funktionen in der notwendigen Geschwindigkeit und Qualität erhalten bleiben (Prozessor, Memory, usw.) Würde die AfA erhöht und die Bemühungen der Hersteller für Langlebigkeit[21] gefördert, hätte das einen riesigen Hebel.

Die Instandhaltung der Produkte müsste ebenfalls steuerlich belohnt werden. Führen wir gar eine Produktrücknahmeverpflichtung der Industrie ein, förderten wir die Anstrengungen der Produzierenden den Recyclinganteil der Waren zu erhöhen. Wer nimmt schon gerne Ramsch wieder in seine Bestände, den es teuer zu entsorgen oder aufwendig zu recyceln gilt.[22] Grundsätzlich sinnvoll ist es, wenn wir in Zukunft die AfA an die Recyclingfähigkeit und die Langlebigkeit der Produkte binden.

Aufgrund der noch sehr bescheidene Recyclingquoten ergibt dies derzeitig wenig Sinn. Nehmen wir das Beispiel eines Rohstoffes mit einer hohen Quote von 50%. Dies würde bedeuten, dass wir 50% sofort abschreiben müssten. Das wäre nicht im Sinne des Ressourcenschutzes und wirkt kontraproduktiv für eine nachhaltige ökologisch orientierte Bilanzierung.

 

Recycle – Bares?

Unsere Recherchen in Bezug auf die Recyclingfähigkeit von Rohstoffen kommen zu einem bisher ernüchternden Resultat. Stand der Technik heute und dem verbundenen Energieeinsatz, einen überwiegenden Anteil der Rohstoffe wieder in den Produktions- und Nutzungskreislauf zurückzuholen, fällt die Ausbeute gering aus. Bei 50% der 30 seltenen Rohstoffen ist die Recyclingquote gleich null, etwa 25% liegt sie im einstelligen % Bereich und ebenfalls 25% liegen unter 55%.

Keine Ressource ist derzeit zu hundert Prozent wiederverwertbar. Die Quote ist immens zu steigern und wir müssen das ändern. Es sind große und viele Innovationen notwendig, die Recyclingquoten weit über 70% zu bewegen. Die Idee der Kreislaufwirtschaft ist ein Anfang. Allerdings noch dem Paradigma verhaftet, dass wir erst etwas produzieren und dann den Abfall wieder aufwendig in den Produktionszyklus integrieren oder rückführen.

Trotz der Verallgemeinerung in dieser Erklärung und dass sicherlich nicht allen Bereichen gerecht wird, bleiben zwei Probleme. Die Abnutzung oder Verschleiß der Rohstoffe ist zu hoch. Die Energiekosten für die Rückgewinnung werden in der Gesamtrechnung der ökologischen Wirtschaftlichkeit gerne verdrängt oder externalisiert.

Wege aus den Engpässen wäre Technik, die den Recyclinggrad der Ressourcen massiv erhöht. Die Produktion von langlebigen Produkten mit hohem Instandhaltungsanteil. Die Fertigung von Produkten, die in ihren einzelnen Teilen nahezu hundert Prozent wiederverwendbar sind. Das Prinzip von der Wiege zur Wiege.

  • Cradle to Cradle (C2C)[23]
  • Rücknahmeverpflichtung der Industrie und Strategie für die Verlängerung der Obsolezenz[24]
  • Aktivierung relevanter und ausgewählter Rohstoffe
  • Steuerung durch AfA auf Rohstoffe, nicht mehr nur auf Produkte

 

Aktivierung der Ressourcen

Nachhaltig heißt uE. auch, nachhalten und Langlebigkeit unserer Ressourcennutzung feststellen zu können. Buchen wir Rohstoffe als Grundlagen unserer Produkte nur als Aufwand, machen wir aus ihnen Wegwerfmaterialien, deren Wert nach einem Jahr aus den Bilanzen verschwindet. Unternehmer, die an nachhaltigem Wirtschaften und der Pflege und Erhaltung unserer Natur mit ihren Ressourcen interessiert sind, erstellen Wertebilanzen. Bestandteil der Wertebilanz ist eine rohstoffgetreue Nachhaltigkeitsbuchhaltung.

Herkömmlich buchen wir Rohstoffe als Verbrauchsmaterial in der Gewinn- und Verlustrechnung. Welch eine Haltung gegenüber der Natur und ihren Ressourcen spricht sich hier aus? Nach dem Jahresabschluss verlieren wir zum Beispiel das Wissen und die Verantwortung über die Ressource „Kupfer“ und dessen Wert nahezu. Uns sollte klar werden, dass der einzig sinnvolle Verantwortliche für die Ressource Kupfer und dessen Verbleib das herstellende Unternehmen ist. Weder die Lieferanten noch die Konsumierenden können verantwortlich sein.

Im Bilde gesprochen geben die Produzierenden die Ressource mit einem unsichtbaren Band an die Konsumierenden weiter. Sie leihen es förmlich aus. Desgleichen gilt für die Lieferketten mit ihren Erzeugnissen und halbfertigen Gütern. Der Ort, in den wir die Ressource buchen, ist demnach falsch. Ressourcen sind der Natur nach Aktiva und damit Vermögen oder vermögensbildend.

Nehmen wir das Beispiel eines Herstellers von mobilen Endgeräten. Dort wird Kupfer verwendet. In dem Moment, da es in der Produktion verbaut wird, geht es in den Besitz und damit die Verantwortung des Unternehmens über.

Mit anderen Worten wird die Ressource Kupfer zum Anlagevermögen des Unternehmens. Damit ist etwas Wundersames in der Bilanzierung geschaffen. Der „Ort“, in dem Nachhalt von Ressourcen gebucht und geprüft werden kann. Jetzt können Zugang (Recycling, Renaturierung) wie Abgang (Schwund, Verlust) des Kupfers klar dokumentiert werden. Deswegen beinhaltet die Bilanzierung von morgen eine wirklichkeitsgetreue Abbildung von Werten und Ressourcen.

Diese geben dem Unternehmen Orientierung und Ausrichtung für die Zukunft. Zukunftswerte werden so in den Aktiva vermögensbildend gebucht. Die Zukunftsfähigkeit hat in den heutigen Bilanzen wenig Platz. Die „Zukunftsbilanz“ (= Wertebilanz) wird um die Erfassung von Wirkungen von Werten ergänzt. Damit lässt sich leichter die Wertschöpfung, der Kern der Unternehmensleistung, in Werten erfassen und verfolgen.

Mehrwerte werden zukünftig erkannt, gewürdigt und bilanziert. Wir verfügen etwa über 30.000 Rohstoffe für die industrielle Fertigung. Es ist selbstredend, dass wir diese nicht alle aktiv bilanzieren. Neben der individuellen Verwendung im Betrieb benötigen wir zusätzliche Auswahlkriterien. Diese können sein: Seltenheit auf dem Markt und der Erde, Hochpreisigkeit, Recycling Quote,… .

 

PDF Flip-Book

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Rainer Monnet monnet – Unternehmensentwicklung

Quellen:

[1] https://www.2030agenda.de/de/publication/die-agenda-2030

[2] https://hbr.org/2021/05/overselling-sustainability-reporting

[3] Figure content uploaded by Jason Hickel: https://www.researchgate.net/publication/332422285_The_contradiction_of_the_sustainable_development_goals_Growth_versus_ecology_on_a_finite_planet

[4] https://www.gov.uk/government/publications/final-report-the-economics-of-biodiversity-the-dasgupta-review

[5] https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=110059085

[6] https://www.prosa.org/fileadmin/user_upload/pdf/Nutzenanalyse_Indikatorensteckbriefe_final.pdf

[7] https://www.prosa.org/profits

[8] https://wertebilanz.com/natuerliche-ressourcen/ressourcenbilanzierung/

[9] https://www.youtube.com/watch?v=gSPHzkAHwqY, Denis Meadows

[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachstums

[11] https://clubofrome.de/veroffentlichungen, https://clubofrome.de/berichte

[12] Ugo Bardi, Der geplünderte Planet, Bundeszentrale politische Bildung 2013

[13] Collin J. Campbell, Study of Peak Oil and Gas, 2000 und Ölwechsel 2002

[14] https://selteneerden.de

[15] http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Downloads/Energierohstoffe_2009_Teil1.pdf?__blob=publicationFile

[16] J. D., Dahm: Benchmark Nachhaltigkeit: Sustainability Zeroline, transscript verlag, 2018

[17] https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/#SPM

[18] https://www.nature.com/articles/s41558-021-01097-4.epdf, https://www.pik-potsdam.de/de/produkte/infothek/kippelemente, https://www.pik-potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/10-neue-erkenntnisse-der-klimawissenschaft-2021

[19] Ugo Bardi, Der Seneca Effekt, Warum Systeme kollabieren und wie wir damit umgehen können, oekom 2015

[20] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/AfA-Tabellen/AfA-Tabelle_Aluminiumfolienindustrie.html

[21] https://flic.kr/s/aHskub5BG5

[22] https://www.oeko.de/forschung-beratung/themen/konsum-und-unternehmen/obsoleszenz-strategien-gegen-die-wegwerfgesellschaft

[23] http://www.c2c.org, Prof. Dr. Michael Braungart

[24] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_11_2016_einfluss_der_nutzungsdauer_von_produkten_obsoleszenz.pdf