Waldorfschule konkurs?

 

Hinter dieser provokanten Überschrift steht eine Frage, die Fachleute auf unterschiedliche Art und Weise beantworten:

 

Kann eine Waldorfschule konkurs gehen?

Befragt würden Juristen, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Finanzamtsvorsteher oder Waldorfgeschäftsführer wahrscheinlich mit Ja antworten. Die folgende Begründung sähe sicherlich unterschiedlich aus. Vorstände der Waldorfschulvereine beantworten diese Frage wahrscheinlich zögerlicher oder würden ratlos die Schultern hochziehen. Dieser Umstand allein verleitet dazu, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Anders gefragt formuliert: „Ist es verantwortungsbewusst, eventuell Hunderten von Waldorfschülern der Gefahr auszusetzen, von einem eingesetzten, harten Insolvenzverwalter die Schultür vor der Nase zugeschlagen zu bekommen?“

Wer die konsolidierte Bilanz des Bundes der Freien Waldorfschulen im Bericht 2011 des Instituts für Bildungsökonomie1 genauer liest, kann das ein oder andere Problem erkennen. Über den aktuellen Zustand einer Schule kann dieses konsolidierte Bilanz eher weniger Auskünfte erteilen. Weitaus schlimmer ist, dass ein bedeutender Teil der Bilanzen wahrscheinlich fehlerhaft oder einfach falsch ist. Entweder entsprechen diese nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB), dem Handelsgesetzbuches (HGB) oder es werden schlicht reale Verpflichtungen gegenüber Mitarbeitern oder Dritten fehlerhaft oder gar nicht erfasst. Ein Schulbetrieb mit 400 Schülern zuzüglich Kindergarten, Krippe und Hort verfügt über einen Haushalt von mehr als 3 Millionen Euro. Dies kann durchaus mit der Größe eines mittelständischen Unternehmens verglichen werden. Betriebe dieser Größe würden nicht lange am Markt bestehen, wenn diese so wirtschaften und operieren, wie es eine Anzahl von Waldorfschulvorständen verantworten. Nur zwei Beispiele fehlerhafter Bilanzierung: Ausweis des Eigenkapitals und Rückstellungen für Altersversorgungen.

 

HINSEHEN LERNEN

Einer der Grundpfeiler einer verantwortungsvollen Schulführung und Vorstandsarbeit ist der liebevolle2 willentliche Blick und das prüfende Interesse für die Prozesse im Schulbetrieb und in der wirtschaftlich-rechtlichen Führung. Mit diesem Blick lässt sich erkennen, ob die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Schule im Lot oder aus dem Gleichgewicht geraten sind. Oftmals führen künstliche Trennstriche zwischen Pädagogik und Wirtschaften im Schulbetrieb nur in die Irre und bewirken: Die Pädagogen fühlen sich nicht verantwortlich für diese Belange der Schule, meinen häufig aber, sie seien der Herr im Hause und verhalten sich dergestalt. Schon hier liegt ein großes Potenzial für wirtschaftliche Probleme. So kann ein schwacher Vorstand und ein herrschaftliches auftretendes Kollegium zu einer Mentalität führen, die schwerwiegende wirtschaftliche und rechtliche Folgen haben kann. Oft hören wir Klagen: Wir Lehrer werden nicht gut genug bezahlt und beim Staat gibt es glatt 30% mehr Bezüge. So wurden zum Beispiel an vielen Schulen betriebliche Altersversorgungen (BAV) abgeschlossen, die bei genauerem Hinsehen eine langfristige Bedrohung für das Bestehen der Schule darstellen, da die daraus erwachsenen Verpflichtungen nicht zu erwirtschaften sind. Viele Schulen haben dies bereits erkannt, manche jedoch sehen gar nicht, dass Ihnen in der Zukunft die Zahlungsunfähigkeit gegenüber diesen alten Versprechen an die Mitarbeiter droht. Ein weiteres mögliches Vergehen kann Bereicherung sein.

 

Waldorfschule konkurs?

 

MONITOR und move – für Waldorfschulen entwickelt

In solchen Situationen ist es angesagt, einen gegenwarts- und zukunftsorientierten Blick auf den Status des Schulorganismus gerade in wirtschaftlicher Hinsicht zu werfen. Erst aufgrund von gut ausgewählten Indikatoren und einer offenbarenden Analyse, lässt sich ermitteln, wie es um die lieb gewordene Schule wirklich steht. Beispiele wären: Fähigkeiten und Zustand der Organisation, Instrumente der Führung, Geschäftsführungstätigkeit, Liquidität, Finanzlage, Bilanzierung, Erfolgslage. Die Realität ist wahrscheinlich diejenige, dass die meisten verantwortlichen Vorstände der Schulen nicht über solche Fähigkeiten verfügen. Gemeint ist dies in erster Linie im Sinne von gezieltem Hinsehen und genau die Phänomene und Prozesse im wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext zu beobachten. Ein Laie kann dies nur bedingt oder er ist bereit, sich zu schulen. Basierend auf diesem gezielten Anschauen können Erkenntnisse gewonnen werden, die Grundlage für eine gute Analyse bieten. Hat man nun Erkenntnisse gewonnen, scheiden sich oft die Geister und es wird nicht weiter gearbeitet, da nun handfeste Veränderungsprozesse beschritten werden müssen.

Die Art und Weise, wie ein gesamtes Kollegium arbeitet, ist ebenfalls ein entscheidender Indikator. Es ist keine Frage, dass die Zufriedenheit der Schüler und Eltern sich mittelfristig auch auf die wirtschaftliche Lage auswirkt. Der Steuerberater schreibt lediglich eine Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung. Der Wirtschaftsprüfer verfasst einen, je nach Beauftragung, umfassenden Prüfungsbericht und erstellt ein Testat. Allerdings in erster Linie nicht für die Zukunft, sondern für das zurückliegende Wirtschaftsjahr. Auch der oben zitierte Bericht der Bildungsökonomie führt nicht zu Erkenntnissen, da er zeitlich 1-2 Jahre nachhängt. 6 Jedoch kann dies im Falle des Falles bereits zu spät sein. Im Laufe eines Jahres kann sehr viel geschehen: Gesetzeslagen ändern sich, die Schülerzahlen gehen rapide zurück, es gibt Streit im Vorstand oder im Kollegium oder zwischen beiden Organen. Dieser Zwist hat oft zur Folge, dass sich um die wirtschaftliche Lage niemand richtig kümmert. Die Verweildauer eines Geschäftsführers in Freien Waldorfschulen ist bedauerlicherweise in der Anzahl an Jahren verschwindend gering. So stehen Schulen in solchen Situationen am Abgrund, ohne dass sie dies wissen oder wahrhaben wollen. Malen wir nicht weiter den Teufel an die Wand. Jedoch wurde hier bislang nichts beschreiben, was nicht beobachtbar ist.

 

MASSNAHMEN ZUR KONSOLIDIERUNG ENTWICKELN – konkurs abwehren

Erst wenn der „Monitor“ zu guten Erkenntnissen führt, kann auf dieser Grundlage, bevor es 5 nach 12 ist, ein der Lage entsprechender Konsolidierungsplan entwickelt werden. Auf dieser Basis erfolgen im guten Falle Gesundungsprozesse. Es ist nun an der Zeit für eine langwierige Konsolidierungsphase, zu der es einen langen Atem braucht. Hier wird deutlich, welchen Wert es hat, dem viel zitierten und wenig ernst genommenen Begriff Nachhaltigkeit3 gerecht zu werden. Oft wird eben nicht richtig gerechnet oder genau hingeschaut.4 So stauen sich manche sicht- und unsichtbare Haufen auf. Es bedarf sehr viel Zeit, Mühe und Geld, diese abzuarbeiten. Manchem mag es erscheinen wie eine Herkules Aufgabe, den Augiasstall auszumisten. 5

Die Erfahrung zeigt allerdings, und das schafft Mut, dass die Probleme sich richten lassen. Grundlage dafür ist allerdings, sich auf die notwendigen vielleicht schmerzhaften Probleme auch einzulassen.

 

1 Steffen Kohlmann, Sozialökonomische Analysen im Freien Bildungswesen, Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft 2013

2 Wilhelm Ernst Barkhoff, Wir können lieben, wen wir wollen, Soziale Erneuerungskraft am Werk, Freies Geistesleben 1995 http://biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=37

3 Uwe Pörksen, Nachhaltigkeit, Versuch einer Begriffsklärung, Vortrag auf dem Symposion „Nachhaltigkeitswerte als Rendite auf Aktien“, 2009

4 Christian Hiss, Richtig rechnen, http://www.gesichter-der-nachhaltigkeit.de/gesichter/christian-hiß

5 http://de.wikipedia.org/wiki/Augias

6 Dr. Benediktus Hardorp, Buchführung, Bilanzierung, Selbsterkenntnis. In: GOETHEANUM Nr. 45/1989

 

Rainer Monnet, Freiburg, Interimsgeschäftsführung

 

Autorennotiz 2018:

Studium Kunst, Arbeit, Recht und  Verwaltung. Aufbau einer Waldorfschule als Geschäftsführer, langjährige Industrieerfahrung bei der SAP AG, nun MONNET – Entwicklung für Neues, Strategische Unternehmensentwicklung und Innovationsberatung